- Pédagogie - lycée -
Thomas Brückner, der sich 1968 politisch
engagiert hatte, musste bald erkennen, dass seine Ideale nicht verwirklicht
werden konnten.
Er erinnerte sich daran, dass er vor 1968 Architektur studiert hatte, nahm das Studium wieder auf und schloss es ab. Er spezialisierte sich auf Dachausbauten (1), suchte Dächer, fand Interessenten und kümmerte sich um Bauplanung, -genehmigung und –aufsicht (2). Dachwohnungen waren in Mode, und Thomas machte seine Sache gut. Nach ein paar Jahren hatte er mehr Dächer und Interessenten, als er bewältigen (3) konnte. Aber sie langweilten ihn. Dächer - das sollte alles sein ?
Eines Tages hörte er von einem Wettbewerb (4) für eine Brücke über die Spree. Schon als Kind hatte ihn der Stolz beeindruckt, mit dem in Köln die eiserne Brücke die Bahn über den Rhein trägt, und die Leichtigkeit, mit der die Golden-Gate-Brücke über das Meer schwingt, auf dem die großen
Schiffe ganz klein sind. Das Buch über Brücken, das er zur Konfirmation bekommen und wieder und wieder gelesen hatte, stand bei den Büchern in seinem Büro. Er entwarf (5) eine Brücke von zerbrechlichem Aussehen, die die Fußgänger nur vorsichtig betreten und auf der die Autofahrer automatisch langsamer fahren sollten. Denn er fand nicht selbstverständlich, dass man von einem Ufer an das andere gelangen kann, und daher sollten es die Benutzer auch nicht als Selbstverständlichkeit nehmen.
Zu seiner und aller Überraschung gewann er den zweiten Preis. Außerdem wurde er gebeten, sich an einem Wettbewerb für eine Brücke über die Weser zu beteiligen. Das Geschäft mit den Dächern nicht aufgeben, die Brücke über die Weser entwerfen, an weiteren Wettbewerben teilnehmen - es wurde zuviel. Er machte Jutta, die als Studentin in seinem Büro gearbeitet und gerade ihr Diplom bekommen hatte, zu seiner Partnerin. Sie baute Dächer aus, er baute Brücken. Als sie von ihm ein Kind erwartete, heirateten sie. Gleichzeitig zogen sie in die schönste Dachwohnung, die ihr Büro je gebaut hatte ; der Interessent war krank geworden und wollte sie nicht mehr. Der Blick von der Terrasse ging über Spree und Tiergarten zum Reichstag und Brandenburger Tor. Vom Dachgarten sahen sie im Westen die Sonne untergehen.
Dann befriedigten ihn auch die Brücken nicht mehr recht. Erfolg, Büro und Familie wuchsen, und dennoch fehlte ihm etwas. Zunächst wusste er nicht, was. Er dachte, er brauche noch mehr berufliche Herausforderung (6), und arbeitete noch mehr. Aber er wurde damit nur noch unzufriedener. Erst als er im Sommer in Italien nicht, wie sonst im Urlaub, Brücken entwarf, sondern die Brücken malte, die er sah und die ihm gefielen, merkte er, dass es das Malen war, das ihm gefehlt hatte. Er hatte als Schüler und Student gemalt, bis er dachte, seine Freude daran werde sich im Entwerfen von Architektur erfüllen. Eine Weile hatte er die Erfüllung auch gespürt. Aber dann hatte er, ohne es zu wissen, das Malen doch vermisst.
Auf einmal stimmte die Welt. Weil die Architektur für ihn nicht mehr alles war, konnte er sie spielerischer betreiben. Weil er sich schon durch den Erfolg als Architekt bewiesen (7) hatte, musste er sich nicht mehr durch den Erfolg als Maler beweisen. Er kümmerte sich nicht um Moden und Trends, achtete nicht mehr darauf, sondern malte, was er gerne als Bild gesehen hätte : Brücken, Wasser, Frauen und Blicke durch Fenster.
Nach Bernhard Schlink, Zuckererbsen,
2000
1- Dachausbauten :
aménagement de combles
2- Bauplanung, -genehmigung und -aufsicht : projets, autorisations et suivi des
travaux
3- bewältigen : venir à bout de
4- der Wettbewerb : le concours
5- entwerfen : concevoir
6- die berufliche
Herausforderung : le défi professionnel
7- sich beweisen : ici, faire ses preuves
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I . COMPRÉHENSION ET TRADUCTION - sur 10 |
A. Richtig oder falsch. Kreuzen Sie an und begründen Sie ihre Antwort mit einem Zitat aus dem Text. Jeder Satz darf nur einmal zitiert werden.
a. 1968 war Thomas mit seinem Architekturstudium fertig. Richtig ? Falsch ? + Zitat
b. Es machte Thomas keinen Spaß, Dächer auszubauen. Richtig ? Falsch ? + Zitat
c. Thomas war ein erfolgreicher Architekt. Richtig ? Falsch ? + Zitat
d. Das Buch über Brücken, das ihm geschenkt worden war, hat ihn nicht interessiert. Richtig ? Falsch ? + Zitat
e. Sein schönes Projekt für eine Brücke fand großes Interesse. Richtig ? Falsch ? + Zitat
f. Thomas und Jutta zogen in ein schönes Haus auf dem Land. Richtig ? Falsch ? + Zitat
g. Thomas hatte alles, um glücklich zu sein. Richtig ? Falsch ? + Zitat
h. Mit der Zeit genügte ihm sein Beruf als Architekt nicht mehr. Richtig ? Falsch ? + Zitat
i. Nach dem Urlaub in Italien gab er den Beruf auf. Richtig ? Falsch ? + Zitat
j. Er malte nur, was ihm Spaß machte. Richtig ? Falsch ? + Zitat
B. Setzen Sie folgende Aussagen in die richtige Reihenfolge
a. Politisches Engagement
b. Familiengründung
c. Konfirmation
d. Abschluss des Architekturstudiums
e. Reise nach Italien
f. Erste Teilnahme an einem Wettbewerb
g. Beginn des Architekturstudiums
| ? | ? | a | ? | ? | ? | ? |
C. Auf welches Wort oder auf welchen Satzteil oder auf welche Person/Personen bezieht sich das unterstrichene Wort ?
a. „ Er erinnerte sich daran,...".................
b. „ und auf der die Autofahrer automatisch langsamer fahren sollten."................
c. „ in die schönste Dachwohnung, die.
ihr Büro je gebaut hatte."................
d. „ und wollte sie
nicht mehr."................
e. ,, Aber er wurde damit nur noch
unzufriedener." ................
f. „ seine Freude daran werde sich im
Entwerfen von Architektur erfüllen." ................
g. „ achtete nicht mehr darauf, sondern malte,..."...............
D. Der Erzähler sagt
a. "Auf einmal stimmte die Welt. " Was meint er wohl damit ? Kreuzen Sie die treffende Antwort an !
Auf einmal waren alle einverstanden
Auf einmal verstand er die Welt nicht mehr
Auf einmal war alles in Ordnung
Auf einmal war er ganz verloren
b. „ Aber dann hatte er, ohne es zu wissen, das Malen doch vermisst. " Was meint er wohl damit ? Kreuzen Sie die treffende Antwort an.
Er hatte das Malen satt.
Das Malen hatte ihm gefehlt
Beim Malen hatte er alles vermischt
Er hatte keine Freude mehr am
Malen gehabt
E. Übersetzen Sie folgende Stelle ins Französische !
Er machte Jutta, die als Studentin in seinem Büro gearbeitet und gerade ihr Diplom bekommen hatte, zu seiner Partnerin. Sie baute Dächer aus, er baute Brücken. Als sie von ihm ein Kind erwartete, heirateten sie. Gleichzeitig zogen sie in die schönste Dachwohnung, die ihr Büro je gebaut hatte ; der Interessent war krank geworden und wollte sie nicht mehr.
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II. EXPRESSION - sur 10 |
A. Einige Jahre später hat Thomas Brückner den Architektenberuf aufgegeben und ist ein berühmter Maler geworden. Nun wird er für eine Kunstzeitschrift interviewt. Schreiben Sie den Dialog zwischen Thomas Brückner und dem Journalisten . Gehen Sie dabei auf folgende Punkte ein! ( Schreiben Sie mindestens 150 Wörter.)
Der Journalist will Folgendes wissen
- die Gründe für seinen neuen Anfang als
Maler
- die Reaktionen seiner Frau
- die Änderungen in seinem Leben
- seine Zukunftspläne
B. Wählen Sie entweder Thema 1 oder Thema 2. (Schreiben Sie mindestens
150 Wörter).
* 1. Ist die richtige
Berufswahl der Schlüssel zum Glück im Leben ? Geben Sie Ihre Meinung und führen
Sie Beispiele an!
oder
* 2. Meinen Sie, dass die
Architektur und der Städtebau (= l'urbanisme) eine wichtige Rolle für unsere Lebensqualität
spielen ? Führen Sie Beispiele an