- Pédagogie - lycée -
Baccalauréat général - Session de septembre 2003 -
Allemand LV1 - série L - durée : 3 heures
Die schöne Italienerin
Peter Camenzïnd erzählt
Es ward (1) ein kleïnes Sommerfest von Künstlern und ihren Freunden veranstaltet. Es war am See, in einem hübschen Garten, ein reifer, weichlich lauer Hochsommerabend. Wir tranken Wein und Eiswasser, hörten der Musik zu und betrachteten die roten Papierlampen, die in langen Girlanden zwischen den Bäumen hingen. Es wurde geplaudert, gespottet, gelacht und schließlich gesungen. [...] Ich war trotz aller Erregung kühl, trank wenig und wartete auf die Aglietti, die mir versprochen hatte, sich heute von mir rudern (2) zu lassen. Sie kam denn auch, schenkte mir ein paar Blumen und stieg mit mir in den kleinen Nachen (3).
Der See war glatt wie Öl und nächtig farblos. Ich trieb den
leichten Nachen rasch in die stille Seebreite weit hinaus und sah immerfort mir
gegenüber die schlanke Frau bequem und zufrieden im Steuersitz lehnen. [...) In
meiner Angst und beklemmt (4) durch die tiefe Stille, denn wir schwiegen beide,
ruderte ich mit Macht drauflos.
"Wie stark Sie sind!" sagte die Malerin nachdenklich.
"Meinen Sie dick?" fragte ich.
"Nein, ich meine die Muskeln", lachte sie.
"Ja,
stark bin ich schon."
Dies war kein geeigneter Anfang. Traurig und ärgerlich
ruderte ich weiter. Nach einer Weile bat ich sie, mir etwas aus ihrem Leben zu
erzählen.
"Was möchten Sie denn hören?"
"Alles", sagte ich. "Am liebsten eine
Liebesgeschichte. Dann erzähle ich Ihnen nachher auch eine von mir, meine
einzige. Sie ist sehr kurz und schön und wird Sie amüsieren."
"Was Sie sagen! Erzählen Sie doch!"
"Nein, erst Sie! Sie wissen ohnehin schon viel mehr von
mir als ich von Ihnen. Ich möchte wissen, ob Sie jemals wirklich verliebt waren
oder ob Sie, wie ich fürchte, dafür viel zu klug und hochmütig sind."
Erminia besann sich eine Weile.
"Das ist wieder eine von Ihren romantischen Ideen",
sagte sie, "sich hier in der Nacht auf dem schwarzen Wasser von einer Frau
Geschichten erzählen zu lassen. Ich kann das aber leider nicht. Ihr Dichter
seid gewöhnt, für alles Hübsche Worte zu haben.[..] In mir haben Sie sich
getäuscht, denn ich glaube nicht, daß man heftiger und stärker lieben kann, als
ich es tue. Ich liebe einen Mann, der an eine andere Frau gebunden ist, und er
liebt mich nicht weniger; doch wissen wir beide nicht, ob es je möglich sein
wird, daß wir zusammenkommen. Wir schreiben uns, und wir treffen uns auch
zuweilen ..."
"Darf ich Sie fragen, ob diese Liebe Sie glücklich
macht, oder elend, oder beides?"
"Ach, die Liebe ist nicht da, um
uns glücklich zu machen. Ich glaube, sie ist da, um uns zu zeigen, wie stark
wir im Leiden und Tragen sein können."
Das verstand ich und konnte nicht hindern, daß mir etwas wie
ein leises Stöhnen (5) statt der Antwort vom Munde kam.
Sie hörte es.
"Ah", sagte sie, "kennen Sie das auch schon?
Sie sind noch so jung ! Wollen Sie mir nun auch beichten (6) ? Aber nur, wenn
Sie wirklich wollen".
"Ein andermal vielleicht, Fräulein Aglietti. Mir ist
heute ohnehin windig zumute (7), und es tut mir leid, daß ich vielleicht auch
Ihnen die Stimmung getrübt habe. Wollen wir umkehren?"
"Wie Sie wollen. Wie weit sind wir eigentlich?"
Ich gab keine Antwort mehr, sondern stemmte die Ruder
rauschend gegen das Wasser, wendete, [...] ruderte wie besessen heimwärts.
Das schöne Fräulein war einigermaßen befremdet, als ich am
Ufer kurzen Abschied nahm und sie allein ließ.
Der See war so glatt, die Musik so fröhlich und die Papierlaternen so festlich rot wie zuvor, mir aber schien das alles jetzt dumm und lächerlich.
Nach Hermann Hesse, Peter Camenzind (1903)
| ETUDE DE TEXTE - sur 14 |
1. Wo und wann spielt die Szene? Zitieren Sie aus dem Text.
a. Drei Naturelemente:
- 1...
- 2....
- 3...
b. Zwei Zeitangaben:
- 1....
- 2....
2. Was erfahren wir über die beiden Hauptfiguren? Suchen Sie die Informationen im Text.
a. Der Erzähler:
- Beruf .........
- Alter .........
- Aussehen (ein Adjektiv) .........
b. Die Frau:
- Vorname und Nachname .........
- Beruf.........
- Aussehen (zwei Adjektive) ......... , .........
3. Lesen Sie folgende Zitate und beantworten Sie die Fragen.
Zitat l: "Wir tranken Wein und Eiswasser.....
- Auf wen bezieht sich "wir"? ....................
Zitat 2: "...wir schwiegen beide ... "
- Auf wen bezieht sich "wir"? ....................
Zitat 3: "doch wissen wir beide nicht..."
- Auf wen bezieht sich "beide"? ....................
4. Wie sind folgende Sätze zu verstehen ? Kreuzen Sie die richtige Antwort an.
a. "Ich war trotz aller Erregung kühl, trank wenig und wartete..."
b. "...ruderte ich mit Macht drauflos"
c. "Dies war kein geeigneter Anfang"
d. "... ruderte ich wie besessen heimwärts"
e. "Das schöne Fräulein war einigermaßen befremdet"
5. Inwiefern unterscheiden sich die beiden Hauptfiguren von den anderen Gästen'.' (etwa 40 Wörter)
6. Was erwartet der Mann von dieser Begegnung? (etwa 40 Wörter)
7. Was denkt die Frau vom Erzähler? Begründen Sie Ihre Antwort mit Elementen aus dem Text. (etwa 30 Wörter)
8. Wie verändert sich das Verhalten des Erzählers beim Rudern? Wie kann man diese Entwicklung erklären? (etwa 50 Wörter)
9. Kommentieren Sie den letzten Satz des Textes: "Der See war so glatt, die Musik so fröhlich und die Papierlaternen so festlich rot wie zuvor, mir aber schien das alles jetzt dumm und lächerlich." (etwa 50 Wörter)
10. Behandeln Sie eines von beiden Themen. (mindestens 100 Wörter)
a. "Ach, die Liebe ist nicht da, um uns glücklich zu machen. " Wie beurteilen Sie diese Auffassung von der Liebe?
oder
b. Warum spielt Liebe eine so große Rolle in der Weltliteratur?
| TRADUCTION - sur 6 |
Übersetzen Sie diesen Teil des Textes ins Französische !
"Das ist wieder eine von Ihren romantischen Ideen",
sagte sie, "sich hier in der Nacht auf dem schwarzen Wasser von einer Frau
Geschichten erzählen zu lassen. Ich kann das aber leider nicht. Ihr Dichter
seid gewöhnt, für alles Hübsche Worte zu haben.[..] In mir haben Sie sich
getäuscht, denn ich glaube nicht, daß man heftiger und stärker lieben kann, als
ich es tue. Ich liebe einen Mann, der an eine andere Frau gebunden ist, und er
liebt mich nicht weniger; doch wissen wir beide nicht, ob es je möglich sein
wird, daß wir zusammenkommen. Wir schreiben uns, und wir treffen uns auch
zuweilen ..."
"Darf ich Sie fragen, ob diese Liebe Sie glücklich
macht, oder elend, oder beides?"
"Ach, die Liebe ist nicht da, um
uns glücklich zu machen."
...