- Pédagogie - lycée -
Baccalauréat général - Session de septembre 2004 - Allemand LV1 - série L - durée : 3 heures
Der
Diebstahl
Ein
Mann besucht Herrn Nissing, einen alten Freund, den er seit dreißig Jahren
nicht gesehen hat. Damals hatte er Nissing Geld gestohlen. Das Dienstmädchen lässt
ihn herein. Er wartet im Büro.
Der
Herr sah den Schreibtisch an. Der Schlüssel steckte auch heute... Er griff in
die Tasche und zog ein Bündel Noten (1) hervor, mit hastiger Hand blätterte
er, bis er drei Tausender gefunden hatte. Er steckte den Rest wieder in die
Tasche, aber die drei Tausender legte er nicht sogleich zu dem Bündel in die
Schublade (2), so leicht, dachte er, kann es nicht sein; ich wollte doch
gestehen (3). Erst die plötzlichen Schritte im Flur zwangen ihn, sich zu
entscheiden - er legte die Scheine unter das Notenbündel
und machte die Schublade zu. Sogleich danach betrat Nissing das Zimmer,
er erkannte den Gast auf den ersten Blick .
„Du
bist es?" fragte er. „Ich freue mich aufrichtig. Komm ins
Wohnzimmer", sagte er, „wir wollen eine Flasche Wein trinken." Sie
gingen hinüber.
„Du
bist verheiratet?" fragte der Gast.
„Ich
war es", erwiderte Nissing. „Meine Frau ist gestorben. Vor zehn Jahren.
Zwei Jahre nach deiner Abreise hatte ich sie geheiratet. Und du?"
„Ich
lebe allein. Du hast Kinder?"
„Ja.
Einen Sohn. Er ist zweiundzwanzig."
„So,
zweiundzwanzig? Ein hoffnungsvolles Alter."
„Ja,
hoffnungsvoll."
Der
Gast schwieg einen Augenblick. „Du sagst das", erwiderte er, „als ob du
skeptisch wärest..."
„Du
irrst dich nicht. Aber ich könnte dir nichts Bestimmtes darüber sagen, noch
nicht, vielleicht später. Es hängt von der Probe ab - ob er sie besteht,
begreifst du? Ich stelle ihn auf die Probe (4)."
„Ja.
Auf was für eine Probe?"
„Ich
weiß nicht", sagte er, „ob ich davon sprechen soll. Aber schließlich
sind wir gute Freunde, nicht wahr?"
„Ja,
gute Freunde", erwiderte der Gast, die gefühlvollen Worte Nissings machten
ihn verlegen.
„Erinnerst
du dich", fragte Nissing plötzlich, „daß ich vor vielen Jahren einmal
bestohlen worden bin? Der Betrag war nicht allzu hoch, etwa zwölfhundert Kronen
(5), wenn ich mich recht erinnere, nur war es damals für mich ziemlich viel
Geld, ich hatte es im Schreibtisch verwahrt, doch nein, du kannst davon nichts
wissen, ich glaube, du warst damals schon ausgewandert."
„Und
du hattest keinen Verdacht (6)?"
„Doch,
natürlich. Ich hatte damals ein Dienstmädchen, die einzige Person, die meiner
Meinung nach gestohlen haben konnte. Ich entließ sie."
„Was
geschah dann?"
„Nichts.
Ich bin ein wenig mißtrauisch geworden, damals. Zwar lasse ich dann und wann
noch Geld liegen, aber ich zähle es ab. So stelle ich alle die, die hierher
kommen, auf die Probe."
„Auch
deinen Sohn?"
„Ja.“
„Und
den Betrag schreibst du auf?"
„Wozu?
Ich kenne ihn auswendig."
„Mit
einer Zahl irrt man sich leicht", sagte der Gast.
Sie
hörten, daß die Haustür geöffnet wurde: „Das ist er", sagte Nissing.
„Er hat mir schon heute mittag angekündigt, daß er den Abend mit Freunden
verbringen werde, und ich habe die Frage offengelassen, ob ich nicht ins Theater
gehen würde. Er wird glauben, daß ich nicht im Hause bin."
„Findest
du nicht", fragte der Gast, „daß dieser Verdacht gegen deinen Sohn etwas
Schreckliches ist? Hast du wenigstens einen Grund dafür?"
„Einen?"
fragte er. „Drei, vier oder fünf, seine Schulden (7)."
Sie
saßen und tranken, ohne zu sprechen; nach einiger Zeit hörte man Schritte die
Treppe herabkommen, eine Tür klappte. „Er ist ins Büro gegangen", sagte
Nissing, der Gast nickte.
Zwei
oder drei Minuten folgten, dann schlug die Haustüre zu, Nissing erhob sich
sofort.
„Zwei
Minuten", sagte er, der Gast nickte, ich hätte gestehen sollen, dachte er.
Es dauerte fast zehn Minuten, bis Nissing zurückkehrte.
„Das
ist sonderbar", sagte er, „wirklich sonderbar."
„Was
ist sonderbar?"
„Es
stimmt nicht. Das Geld stimmt nicht."
„Er
hat also gestohlen?"
„Nein",
sagte Nissing, und er schrie nun beinahe, „nein, er hat nicht gestohlen...
oder ich habe mich geirrt... was weiß ich? Es stimmt nicht, vielleicht hätte
ich die Summe doch aufschreiben sollen..."
„Was
ist denn nun?" fragte der Gast.
„Es
sind", rief Nissing, „es sind mehr Kronen im Schreibtisch, als ich
hineingelegt habe. Ich habe das Bündel fünfmal gezählt und fand jedes Mal das
gleiche Ergebnis, hier jedenfalls irre ich mich nicht - es liegen genau tausend
Kronen mehr im Schreibtisch, als nach meiner Erinnerung dort liegen müßten."
„Du
kannst dich also doch nicht wirklich an die Summe erinnern, die du hineingelegt
hast", sagte der Gast.
„Ja",
murmelte er, „tatsächlich. Wie käme mein Sohn dazu, tausend Kronen in meinen
Schreibtisch zu legen? Er besitzt sie ja nicht einmal."
Sie
schwiegen, schließlich aßen sie etwas zu Abend und sprachen von anderen
Dingen.
Ich müßte gestehen, dachte der Gast, aber nicht hier, wie furchtbar
ist das alles.
„Ich
bin müde", sagte er schließlich; Nissing brachte ihn ins Gastzimmer.
Der
Gast ging nicht zu Bett, sondern setzte sich in einen Sessel. Der Junge hat
zweitausend Kronen gestohlen und trotzdem die Probe bestanden: aber das war wohl
nicht schlimmer als zwölfhundert Kronen stehlen und eine Unschuldige in
Verdacht stürzen, aus dem Haus jagen, dachte er.
Was
nun aber? Es war vier Uhr morgens, hinter den Bäumen vor dem Fenster begann es
hell zu werden, als der Gast sich an den Tisch setzte und einen Brief schrieb.
Er ließ ihn auf dem Tisch liegen und schlich auf Strümpfen die Treppe hinab;
erst vor dem Hause zog er die Schuhe wieder an.
1
ein Bündel Noten: mehrere Geldscheine
2
die Schublade: le tiroir
3
gestehen: avouer
4
auf die Probe stellen: mettre à l'épreuve
5
die Krone (n): la couronne (monnaie)
6
der Verdacht: le soupçon
7 die Schulden: les dettes
A - ETUDE DU TEXTE - sur 14 points |
I.
Richtig oder falsch? Notieren Sie Ihre Antwort
und begründen Sie sie mit einem Zitat aus dem Text.
|
1)
Als Nissing den Gast erblickte, konnte er sich nicht sofort an ihn
erinnern. 2)
Der Gast hat seine Heimatstadt nie verlassen. ......................................................................................................................................................... 3)
Damals hatte Nissing geglaubt, dass sein Freund das Geld gestohlen
hatte. ......................................................................................................................................................... 4)
Der Gast meint, dass man nicht zu selbstsicher sein darf. Richtig
Falsch
......................................................................................................................................................... 5)
Nissing wird den Abend im Theater verbringen. ......................................................................................................................................................... 6)
Nissing erklärt, warum er seinem Sohn nicht vertraut. Richtig
Falsch
......................................................................................................................................................... 7)
Beim Abendessen versuchen Nissing und sein Gast an etwas anderes zu
denken. ......................................................................................................................................................... 8)
Der Gast verlässt leise und heimlich das Haus. ........................................................................................................................................................
|
2. Ergänzen Sie mit der richtigen Summe : 0 -
1000 -
1200 -
2000 –
3000
1)
Der Gast hat vor dreißig Jahren .......................... Kronen
gestohlen.
2)
Der Gast gibt ................... Kronen zurück.
3)
Das Dienstmädchen hat ..................... Kronen gestohlen.
4)
Der Junge hat ..........................
Kronen gestohlen.
5)
In der Schublade sind ..................
Kronen zuviel.
3. Obwohl aus seinem Schreibtisch schon Geld gestohlen wurde, lässt Nissing Geldscheine in einer offenen Schublade liegen. Aus welchem Grund? (etwa 30 Wörter)
4. „Ich wollte doch gestehen" (Z. 4) Was ist aus diesem Vorhaben geworden? Wie lässt sich das erklären? (etwa 60 Wörter)
5. Schreiben Sie den Brief, den der Gast in der Nacht auf dem Tisch lässt. (etwa 100 Wörter)
6. Wählen Sie eines der folgenden
Themen. (etwa 120 Wörter)
a. Jeder Mensch hat Recht auf eine zweite Chance. Wie stehen Sie dazu? Argumentieren Sie.
b.
Meinen Sie auch, dass zweiundzwanzig ein hoffnungsvolles Alter ist? Argumentieren
Sie.
TRADUCTION - sur 6 points |
Übersetzen Sie ins Französische ( ",Nein', sagte Nissing... und sprachen von anderen Dingen.'") gegen Ende des Textes (G.L)