- Pédagogie - lycée -


Baccalauréat général - Session de septembre 2004 - Allemand LV2 - série L - durée : 3 heures

Bernhard sitzt nachmittags im Wohnzimmer seiner Großmutter am Klavier und übt. Sein Lehrer hatte ihm aber gestern gesagt, daß seine Tonleitern[1] an einen Feldweg erinnerten statt an eine glatte Asphaltstraße, und dieser Vergleich brachte Bernhard zu dem mutigen Entschluß, fortan täglich eine Stunde Tonleitern zu üben. Nachher, als Belohnung gedacht, folgt das schwere Studium einer Fuge von Bach, dem großen Meister, den Bernhard bis vor kurzem wenig schätzte[2]. Bernhard versucht, sich an alles zu erinnern, was sein Lehrer ihm mit Geduld einprägte[3], jenes mühelose und doch intensive Anschlagen der Tasten, jene gleichmäßige Bewegung des Armes. Sein Lehrer wiederholte ihm, daß man in das Klavier eindringen müsse, als seien die Töne anzufassen, zu formen, festzuhalten. „Il faut modeler le piano“ ist einer seiner beliebtesten Aussprüche, aus Paris mitgebracht, denn er ist Franzose und beabsichtigt, in nächster Zeit in seine Heimatstadt zurückzukehren. Gern würde er seinen Schüler Bernhard mitnehmen, den einzigen jungen Deutschen, dessen Begabung[4] er schätzt und dessen weitere Ausbildung er mit Freude übernehmen würde.

Bernhard hat große Lust, ihn zu begleiten, aber er weiß nicht, ob seine Eltern es ihm erlauben werden. Er ist kaum siebzehn Jahre alt und muß den Eltern gehorchen. Es wäre auch denkbar, daß man ihn aus Mangel an Geld nicht im Ausland studieren ließe; verschiedene Bemerkungen seines Vaters lassen Bernhard darauf schließen, obwohl sie in einem großen Landhaus mit Pferden und Automobilen recht angenehm und anscheinend in den sichersten Verhältnissen leben. [...]

Einige Monate später...

Bernhard ist siebzehn Jahre alt und zum erstenmal allein in Paris. Die Dame, bei der er wohnt, ist sehr nett; sie trägt ein einfaches schwarzes Kleid und sieht aus, als müsse sie eine Menge Kinder haben, was aber nicht der Fall ist, so daß Bernhard im voraus darauf spekuliert, daß sie ihre mütterlichen Gefühle ihm zuwenden wird.

Er hat seine beiden Handtaschen ausgepackt. Monis[5] Bild wurde neben sein Bett gestellt, die Porträts seiner Eltern auf den Schreibtisch. Eigentlich wäre ihm ja ein Klavier nützlicher als der Schreibtisch, aber seine Wirtin hat ihm gesagt, daß er nicht weit von hier, links die Straße aufwärts, in einem Musikgeschäft üben könne. Das hat ihn beruhigt und er beschließt, gleich nachher hinzugehen. Jetzt aber will er essen, es ist gleich zwei Uhr, und er hat heute nicht einmal gefrühstückt.

Während Bernhard auf sein Essen wartet, studiert er einen Plan von Paris, den ihm seine Mama mitgegeben hat. Er orientiert sich über seine Lage. Er würde sicherlich eine Stunde brauchen, um zu seinem Lehrer zu gehen, der irgendwo in Passy[6] wohnt.

Am folgenden Tag betritt Bernhard das Haus seines Lehrers in Passy; alles wird anders und viel schöner, als er es erwartet hatte. Er wird von einem freundlich aussehenden Mädchen ins Musikzimmer geführt, ein dicker Teppich dämpft seine Schritte; viele Bilder mit Unterschriften hängen an den Wänden. Bernhard bleibt zögernd neben dem Flügel[7] stehen; seine linke Hand liegt auf den Tasten, und er bemerkt, daß sie ein wenig zittert.

Sein Lehrer, der aus dem Nebenzimmer eingetreten ist, reicht ihm die Hand. „Wie geht es denn, sind Sie gut gereist, gut untergebracht, bereit, fleißig zu arbeiten?“. Bernhard, unfähig, auf so viele Fragen zu antworten, nickt hilflos und kämpft gegen seine Verlegenheit. „Ich habe ziemlich viel geübt“, sagt er dann und setzt sich an den Flügel.

Bernhard kommt kaum zum Bewußtsein, er will eine Fuge von Bach spielen. Erregung packt ihn und wie in einen Traum versinkend, unbegreiflich und auf berauschende Weise gefangen, beginnt er sein Spiel.

Nach Annemarie Schwarzenbach, Freunde um Bernhard, 1931

[1] die Tonleiter : la gamme
[2]
schätzen : apprécier
[3]
einprägen : inculquer
[4]
die Begabung : le don, le talent
[5]
Moni ist Bernhards Schwester
[6]
Passy ist ein Stadtviertel im 16. Arrondissement von Paris
[7]
der Flügel : le piano à queue 


COMPRÉHENSION  sur 10 points

I. Beantworten Sie folgende Fragen mit Zitaten oder mit den Informationen, die im Text zu finden sind.

a. Bernhard

. Bernhard in der Heimat Bernahrd in Paris
Wie alt ist er ? .... ...
Bei wem wohnt er ? ... ...
Wo kann er Klavier üben ? .... ...

 

b. Der Lehrer

Aus welchem Land kommt er?   ....
Wo wohnt er in Paris?   ....
Was macht sein Haus schön und bequem? ....

 

II. Richtig oder falsch? Kreuzen Sie an und begründen Sie Ihre Antwort mit einem Zitat.

a. Der Lehrer…

1. ist seinem Schüler gegenüber kritisch. Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

2. weiß seinen Schüler zu motivieren.   Richtig  Falsch

………………………………………………………………..……………………………………………

3. hat in Deutschland einen Lieblingsschüler: Bernhard.      Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

4. imponiert seinem Schüler.    Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

5. hat keine Geduld mit den Schülern.     Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

 

b. Die Wirtin...

1. erscheint als extravagante Pariserin.      Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

2. hat viele Kinder.          Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

3. besitzt kein Klavier.    Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

4. macht einen guten Eindruck auf Bernhard.  Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

5. wohnt in der Nähe von Bernhards Lehrer. Richtig  Falsch

…………………………………………………………………..……………………………………………

 

III. Welcher Titel passt am besten zum Text? Kreuzen Sie an.    

 

IV. Übersetzen Sie von Zeile 11 bis Zeile 16 ins Französische („Gern würde er… im Ausland studieren ließe;“).

... ... ... 

EXPRESSION  sur 10

   

I. Wie verhält sich Bernhard im Haus des Lehrers? Wie kann man dieses Verhalten erklären? [etwa 40 Wörter]

 

II. Schreiben Sie den Dialog zwischen Bernhard und seinen Eltern. Beachten Sie dabei folgende Angaben. [mindestens 100 Wörter]

 

III. Behandeln Sie eines von den beiden Themen. [mindestens 100 Wörter]

A. Im Text heißt es: „Dieser Vergleich brachte Bernhard zu dem mutigen Entschluß, fortan  täglich eine Stunde Tonleitern zu üben.“ (Anfang des Textes, G.L.). Glauben Sie auch wie Bernhard, dass  Talent nicht genügt, um im Leben erfolgreich zu sein?

oder

B. Bernhard fährt nach Paris, um sich weiter auszubilden. Wären Sie auch bereit, ins Ausland zu gehen, um dort zu studieren?